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Geschichte einer Betroffenen: Neuanfang in Kall

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In Kall in der Eifel stand das Hochwasser meterhoch. Das Erdgeschoss der Gebäude der Stiftung Evangelisches Alten- und Pflegeheim (EvA) wurde zerstört, auch das kleine Apartment von Helga Wallraf. Für einige Monate zog sie deshalb zu ihrer Tochter. Nun ist sie zurück – während die Bauarbeiten noch in vollem Gange sind.

Helga Wallraf hält die beiden Zierpuppen auf dem Schoss. Sie sind eine wichtige Erinnerung an eine ihrer besten Freundinnen, die hier Nachbarin in den betreuten Wohnungen der Stiftung Evangelisches Alten- und Pflegeheim – kurz EvA – war. „Sie hat sie mir gegeben, als sie vor sieben, acht Jahren hierhin gezogen ist“, sagt die 83-Jährige. Kurz vor Wallrafs Wiedereinzug ist sie gestorben.

Wiedereinzug: Helga Wallraf wohnte bis zum 15. Juli schon einmal hier, im Erdgeschoss-Apartment Nummer 10. Doch da stieg dann das Wasser auf über einen Meter. Das EvA lag in einer Art See, eigentlich unvorstellbar, denn hier am Neuen Markt in Kall ist eine wirklich sehr deutliche Hanglage.

„Nehmen sie nur das das Nötigste mit“, sagte da der Leiter der Einrichtung, Malte Duisberg, zu ihr. Und Helga Wallraf schlief dann in der Nacht mit zwei anderen Bewohnerinnen eine Etage drüber, „wobei ans Schlafen nicht zu denken war“, erinnert sie sich. Es wird gescherzt, dass das ja wie auf der Titanic sei. Eine Bewohnerin macht eine Flasche Wein auf. Vor dem Fenster verschwindet derweil ein Auto in den Wassermassen. Beinahe surreal.
 

Mitte Juni sind die ersten Apartments wieder bezugsfähig

Wallraf hatte Glück. Sie kam in den folgenden Monaten bei ihrer Tochter unter. „Aber das ist mir nicht leicht gefallen“, sagt sie, „ich wohne schon seit 25 Jahren alleine.“ Sie wollte unbedingt nach Kall zurück, in ihre gewohnte Umgebung. Hier gibt es einen guten Zusammenhalt unter den Bewohnern, hier ist sie eingebunden in verschiedene Vereine. Und es gelang, wenn auch nicht in ihrem bisherigen Apartment. Heute wohnt sie eine Etage darüber.

Denn bei Apartment 10 wird es noch ein paar Wochen dauern, bis es wieder bezugsfähig ist. Wobei der Anblick heute schon wieder zum Wohnen einlädt. Rückblick: Die Wohnung wirkte wie gerupft nach der Flut. Die Wasserlinie zieht wie ein Gebirge über die bis auf die Holzverschalung freigelegte Wand. Manchmal quellen noch Fetzen von gelblicher Dämmwolle aus Ritzen. Oben an der Decke hängt zerrissen die grüne Plastikdampfsperre. Lange Rohre stützen kreuz und quer die Wände.

Heute ist hier der ockerfarbene Boden verlegt, sind die Wände weiß gestrichen. Das blaue Dämmband ragt unter dem Estrich ein paar Zentimeter auf die Wand, Schallschutz. Richtig freundlich sieht es aus. Ein paar Türen weiter wurden vier Apartments sogar schon für die Übergabe gereinigt, hier sind auch die Außenwände komplett erneuert. Bezugsfähig sind sie ab Mitte Juni. „Nach und nach werden hier alle 14 Apartments fertiggestellt“, sagt Duisberg. Bis Mitte Oktober rechnet er mit der Bezugsfähigkeit der letzten Wohnung. Das Erdgeschoss der Pflegeeinrichtung nebenan konnte bereits ab April wieder bewohnt werden.

Bisher beträgt der Schaden fast vier Millionen Euro. „Er ist nicht komplett über die Versicherung abgedeckt“, sagt Malte Duisberg. „Auch hier werden wir dringend Spendengelder benötigen.“ Schon zuvor hat die Einrichtung Sofortgelder der Diakonie Katastrophenhilfe für betroffene Anwohner und Mitarbeitende erhalten, Bautrockner wurden bereitgestellt.
 

Neuanfang im neuen Apartment

Für Helga Wallraf ist es ein Neuanfang. Sie vermisst zwar ihren kleinen Garten, den sie im Erdgeschoss hatte. Sie stört manchmal der ständige Baustellenbetrieb. „Aber ich bin sehr glücklich, dass ich wieder hier bin“, so die Seniorin. Der Zusammenhalt hier ist gestärkt. Regelmäßig treffen sich die Bewohner zum Spiel. Irgendwann auch wird es wieder den schönen Gemeinschaftsraum geben. Auch Hochbeete sind geplant. Es soll so schön werden, wie vor der Flut. Helga Wallraf sitzt auf ihrem Sofa. Das ist neu, wie fast alles hier in diesem Apartment. Aber zwei Fotoalben mit Bildern von ihrer Hochzeit und den aufwachsenden Kindern, ein paar Bilder an der Wand haben die Flut überlebt. Und natürlich auch die beiden Puppen ihrer verstorbenen Freundin, eine wichtige Erinnerung. Namenslos sind sie, Helga Wallraf nimmt sie in den Arm. Ihnen soll es hier weiterhin gut gehen. Der Neuanfang ist geschafft.

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